Wie ein Vortrag von André Stern mir und meiner Tochter den Schuldruck nahm

Als meine große Tochter in die 3. Klasse kam begann eine etwas stressige Zeit. Obwohl noch genug Zeit war bis wir uns für eine weiterführende Schule entscheiden mussten, fing vor allem ich an mir Druck zu machen. Mit jeder "schlechten" Note sah ich die Bildungsempfehlung flöten gehen, obwohl alles nur halb so dramatisch war. Gedanken wie "mein Kind MUSS aufs Gymnasium" oder "nur Oberschule" geisterten in meinem Kopf umher. Innerlich wusste ich, dass ich mir viel zu viel Gedanken machte, war ich doch selber eine Mittelschülerin und bin meinen Weg gegangen. Beim jährlichen Entwicklungsgespräch streute die Lehrerin noch Salz in die Wunde, indem sie mir zu verstehen gab, dass ein anderer Papa aus der Klasse mit einem Physikstudium seiner Tochter, logischerweise, viel besser die Mathehausaufgaben erklären könnte, als ich ohne Studium. 
Für Grundschulaufgaben brauch man doch kein Studium, was sollte das?
Der Lehrerin habe ich dann per Mail in Ruhe mitgeteilt wie dieser Satz auf mich wirkte und sie entschuldigte sich und meinte so sollte das nicht rüber kommen. Eine weitere Situation erfolgte beim Elternstammtisch. Hier wollten sich die Eltern der Klasse austauschen über die weiterführenden Schulen, als wir dann lang und breit die Gymnasien durchgekaut hatten meinte die Lehrerin nur: "Wollen wir dann noch über die Oberschulen sprechen oder brauch das keiner?". Ich meldete mich schüchtern und war innerlich noch aufgewühlter. 
Was mich wohl so beschäftigte war die Frage ob man in unserer Gesellschaft nur mit einem Abi weit kommt.
Mir wurde aber auch von anderen Seiten gut zugesprochen. Da hieß es "lieber einen guten Realschulabschluss als ein schlechtes Abi" oder "es gibt heute doch so viele verschiedene Möglichkeiten in der schulischen Laufbahn". Dann fragte mich meine Arbeitskollegin ob ich nicht Lust hätte auf einen Vortragabend im Gymnasium ihrer Tochter. 
Zu Gast wäre André Stern mit seinem Vortrag "Ich war nie in der Schule".

Ein Vortrag von André Stern half mir wieder meinen Weg zu finden und mein Kind zu stärken

Vorher noch nie etwas von ihm gehört ging ich mit offenen Ohren und Gedanken hin. 
Was ist das für ein Mensch der nie in der Schule war? 
Auf der Bühne stellte sich eine beeindruckende Person vor. 1971 in Paris geboren, nahm er im Alter von 4 Jahren bereits Gitarrenunterricht. Er ist Protagonist in dem Film "Alphabet" von Erwin Wagenhofer und Co-Autor des gleichnamigen Buches. Weiteres zu seiner wirklich interessanten und beachtlichen Biographie könnt ihr hier lesen André Stern - Biographie

In Frankreich gibt es keine Schulpflicht, so konnte André die Welt von selber und instinktiv kennen lernen. Kinder kommen auf die Welt und erlernen alles instinktiv. Sie lernen unsere Sprache durch Beobachtung und Hören, ebenso das Laufen und alles andere. Für all das lässt man ihnen so viel Zeit wie sie dafür brauchen und fördert sie, unterstützt sie. Aber sie erlernen diese Dinge von selbst und weil sie sich dafür Begeistern. Und das ist der Punkt, besonders in der Schulzeit verschwindet die Begeisterung und dadurch macht lernen schnell keinen Spaß mehr. Leistungsdruck und Zwang verderben den Spaß am lernen.
Begeisterung ist das Zauberwort.
Jemand der mit Herzblut bei der Sache ist, kann alles erlernen, weil es ihm Spaß macht und Kinder sind so einfach zu begeistern. Zum Beispiel erzählte André von seinem kleinen Sohn, der einmal auf einer Pariser Straße einem Müllauto Minutenlang zugeschaut hat und es einfach toll fand wie das Müllauto den Müll aufsammelt. Als wir in dem Sommer in Paris waren und ich ein Müllauto sah, da dachte ich an den kleinen Sohn. Und das war nur ein kleiner Auszug aus dem Vortrag. Im Anschluss gab es tolle Gitarrenmusik und den Film.

Vertraue deinem Kind, gib ihm Zeit und unterstütze es

Kaum zu glauben wie Worte einen stärken und motivieren. Mein innerlicher Druck war weg und ich wusste mein Kind wird seinen Weg gehen und zwar von sich aus mit meiner Hilfe. Kein Mensch ist perfekt, jeder hat Stärken und Schwächen, das sagt man sich so oft doch verinnerlicht hat man es selten. Ich erkannte, dass ich mit diversen Kursen in der Woche meinem Kind den Freiraum nahm und reduzierte diese. Man möchte seinem Kind immer alles bieten und Möglichkeiten schaffen sich auszuprobieren, das endet aber auch gern in Stress. Von der 1. Klasse an ging sie Tanzen und erlernte ein Instrument, dazu kamen die Kursangebote in der Schule nachmittags, nun zog der Schulstoff in der 3. Klasse an und wir mussten Prioritäten schaffen damit sie Freiraum bekommt. Wenn dein Kind dir sagt es möchte auch mal Freizeit haben, dann muss gehandelt werden. Also pausierten wir das Tanzen und den Musikunterricht. Sie hätte die Kurse auch weitermachen können wenn sie das gewollt hätte, aber mehr und mehr klagte sie darüber wie die Kursleiter auf sie einwirkten und ihr die Freude nahmen. Die Tanzlehrerin erwartete Freitagnachmittag 100% Konzentration für eine Choreografie und die Musiklehrerin schimpfte sobald bei Lena die Konzentration schwand. Nun konnte sie sich auf eins Konzentrieren und nach der Schule abschalten. Die Kurse kann man ja jeder Zeit weiter machen wenn man die Zeit dafür hat. Jetzt konzentriert sie sich auf die Schule (in Deutschland gibt es nun mal die Schulpflicht) und vor allem aufs Kind sein, Kind ist man nur einmal. 

Inzwischen ist das Töchterchen in der 4. Klasse und an der neuen Oberschule angemeldet. Sie hatte nie ein Lernproblem oder schlechte Noten, sondern ich hatte ein Problem mit meinen Erwartungen und der Umgebung. 

Alles über André Stern könnt ihr hier nachlesen.

Kommentare

  1. Interessanter Blogbeitrag! Und meiner Meinung ist das genau der richtige Weg. Heutzutage wird ein Kind in der Schule - of auch scho im Kindergarten - viel zu sehr auf Leistung getrimmt und immer steht ein großes MUSS dahinter. du MUSST das jetzt machen etc. aber warum? Klar gibts manche Sachen um die man nicht drum rum kommt aber sollte man dem Kind nicht die Freiheit geben sich selbst zu entwickeln und zu entfalten um wirklich Interessen zu entwickeln und alles andere belastet das Kind doch wohl eher! Und wenn man sein Kind in dem helfend zu Seite steht denke ich lassen sich Spaß und Pflicht gut mit einander kombinieren, und der richtige Weg wird dann deutlich leichter.

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  2. Danke für dein Kommentar, genau das meine ich auch.

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  3. Hi Katharina, ein toller Artikel! :) Mir ist André Stern auch "zufällig" in die Hände gekommen - wir verbrachten Weihnachten im Yogahaus und einer der Dozenten fragte uns immer wieder, ob wir nicht André Stern kennen, der würde gut zu uns passen. Daraufhin las ich sein Buch "...und ich war nie in der Schule!", was für mich ein absoluter Schlüssel war. Stern ist ein richtiger Leuchtstern für uns geworden und es freut mich daher unglaublich, dass er auch deinen Weg gekreuzt hat. Und wer hat´s mal wieder gemacht? Die Kinder :) Ich bin überzeugt, sie zeigen uns den Weg ganz von allein. Einen tollen Blog hast du, wunderschön gestaltet, man merkt, es ist dein Handwerk :) Liebe Grüße, Louise

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    1. Hallo Louise, vielen Dank für deinen lieben Kommentar. Wirklich ein toller Typ von dem ganz viele noch so einiges lernen können und das mit Begeisterung :) Vielen Dank auch für deine Komplimente, ich kann sie nur zurück geben. Ich hoffe wir lesen mal wieder voneinander. Bis dahin und liebe Grüße zurück.

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